Für das Wort Innovation gibt es viele Bedeutungen und Definitionen. Der österreichische Nationalökonom und frühere Professor an der Harvard Universität, Schumpeter definierte Innovation als "Erfolgreiche Durchsetzung einer technischen oder organisatorischen Neuerung". Er brachte es auf den Punkt: Das breite Durchsetzen am Markt ist das "A und O" für eine wirkliche Innovation. Von der Invention (Erfindung/Neuerung) geht der Weg über das wirtschaftliche Umsetzen, sprich auf den Markt Bringen zur Innovation, wenn die Idee oder neue Technologie sich wirklich breiter und längerfristig durchsetzt. Das ist natürlich abhängig von konkurrierenden Entwicklungen oder weitere Neuerscheinungen.
Es gibt auch im Biotech-Bereich so manches Beispiel, dass selbst vermeintlich bahnbrechende Neuerungen sich nicht durchsetzen konnten. Medikamente oder Therapien erreichten nicht vorhergesagte peak sales. Einige technologischen Neuerungen waren zu früh, der Markt war noch nicht wirklich aufnahmebereit oder sie waren noch nicht technologisch ausgereift.
Trends können sich schnell ergeben. Im negativen Falle spricht man dann auch von Hype. Dieser entwickelt sich oft aus einem Herdentrieb heraus, was immer wieder am Aktienmarkt zu beobachten ist. Zum Teil beruht dies auf heißen Biotech-Tipps vermeintlicher Experten (so mancher Aktionärs-Brief).
Schlagwörter zu aktuellen Biotech-Trend-Themen sind beispielsweise: Personalisierte Medizin, Gen-Therapie, CAR-T-Therapien, Immuno-Therapien, Mikrobiom, Cloud Biology, mRNA-Technologien, Gene Silencing, Synthetische Biologie, Bio-Energie, Bio-Printing, Precision Fermenation, CRISPR/CAS (Gene Editing), AI (artificial intelligence) in Biotech und Pharma und so weiter. Auch alle "omics" sind nicht zu vernachlässigen.
Der Klassiker beim Bewerten von Unternehmen, Projekten oder Technologien sind quantitativ-monetäre Methoden basierend auf Zahlen der Kosten-, Erlös- und Ergebnis-Rechnung. Das Einschätzen von Trends scheint damit nicht wirklich zu funktionieren. Um das Erkennen von Trends zumindest systematisch und fundiert anzugehen ist es möglich, weitere Methoden aus dem Technologie- und Innovations-Management heranzuziehen.
Es geht hier um mehr qualitativ-heuristische Methoden wie beispielsweise: Technologische Voraussage, Morphologischer Kasten, Megatrend-Analyse, Trend-Extrapolation, Experten-Befragung oder Delphi-Technik. Hinzu kommen noch portfoliogestütze sowie ganzheitliche Methoden.
Den Begriff der "Megatrends" prägte der Zukunftsforscher Naisbitt (1929-2021) in den 1980er Jahren. Horx, der Begründer des Zukunftinstitutes, entwickelte vier Parameter als Bedingungen für einen Megatrend: (1) Sie haben eine Dauer von mindestens mehreren Jahrzehnten, (2) sie zeigen Auswirkungen in allen gesellschaftlichen Bereichen, in der Ökonomie, im Konsum, im Wertewandel, im Zusammenleben der Menschen, in den Medien, im politischen System etc., (3) sie sind globale Pänomene und (4) sie sind vielschichtig und mehrdimensional.
Der Wirtschaftswissenschaftler Pfeiffer (1933-2019) umfasste in seiner Lehre neben Megatrends noch sogenannte Sachtrends wie zum Beispiel: quantitative und qualitative Leistungssteigerung, Integration, Know-How-Intensivierung bzw. De-Materialisierung und Miniaturisierung sowie extreme bzw. konstruierte Eigenschaften. Biotech trägt zu beiden Trendarten bei.
Um wirkliche Durchbrüche zu generieren, kann es die Kunst sein, eben nicht Antworten auf längst bekannte Fragen zu formulieren. Vielmehr kann ein sogenannter technology push komplett neue Fragen oder Bedürfnisse und damit Märkte schaffen (bestens vorgelebt von Apple). Um dahingehend das große Potenzial der Biotechnologie bzw. biologischer Systeme und deren einzelner Bestandteile systematisch zu erfassen, lohnt ein Blick auf die Funktionen, die diese erfüllen.
Das erfordert ein gewisses Abstrahieren auf grundlegende technische Elemente: Materie, Energie und Information in Kombination mit Wandlung, Transport, Speicherung, Zustands-Änderung und -erhalt. Darauf aufbauend lassen sich Voraussagen zu theoretisch möglichen und eventuell komplett neuen Anwendungen treffen.
Die biologische Zelle stellt ein hochintegriertes und vernetztes Gebilde molekularer Funktions-Systeme dar, deren Vielfalt an Leistungen lediglich durch vier makro-molekulare Struktur-Klassen getragen wird, die eine in der Evolution optimierte und komplexe Struktur mit hoher Funktions-Spezifität aufweisen. So finden sich allein bei dem Bakterium Escherichia coli ca. 7.000 verschiedene organische Stoffe, davon ca. 3.000 Proteine und mehr als 3.000 Nukleinsäuren. Beim Tier treten in etwa fünf Millionen verschiedene Proteine auf.
Dazu kommt, dass biologische molekulare Grund-Prinzipien Prozesse ermöglichen wie "self assembly", molekulare Erkennung bzw. Wechselwirkung, Konformations-Änderungen, Elektronen- und Protonen-Transport sowie Bildung, Aufspaltung oder Umgruppierung chemischer Bindungen. Diese Fähigkeiten will die Synthetische Biologie nutzen.
Klassische quantitative Bewertungsverfahren stoßen bei der Biotech oft an ihre Grenzen, weil die Branche ihre eigenen speziellen Regeln hat. Hier ist das Entwickeln "passender" Ansätze noch eine große Herausforderung. Die frühere Life Sciences Kommission der DVFA (Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management) hat sich in einer Publikation aus dem Jahre 2005 bereits einmal Gedanken gemacht zu spezifischen qualitativen Bewertungskriterien.
Auch wenn dies auf die Bewertung ganzer Unternehmen am Kapitalmarkt abzielte, so ist das auch für eine Einschätzung von Trends bzw. Technologien anwendbar. Zutreffend wären hier die Kriterien Alleinstellung & Attraktivität der Technologie sowie Innovations-Grad und -Stärke. Letzterer kann über weitere Unter-Indikatoren (Basis-Prinzipien) unter Anwendung von Scoring-Modellen eingestuft werden.
Räumliche Wirkung
Zeitliche Wirkung
Quantitative Wirkung
Qualitative Wirkung
Kostensenkungs-Potenzial
Leistungssteigerungs-Potenzial
Anwendungszwecke
Anwendungsfelder
Erlöse
Beschaffungs- bzw. Umstellungs-Kosten
Laufende Kosten
Stand im Lebenszyklus
Veränderungsdynamik
In das Anwender-Umsystem
Konkurrenz-Umfeld
vorgelagertes Umfeld
nachgelagertes Umfeld
staatlich-rechtliches Umfeld
gesellschaftliches Umfeld
In das Anwender-System
Personalstruktur
Sachmittel-/Technik-Struktur
Organisations-Struktur
Konformität mit System-Input
Konformität mit System-Output
Einzuschätzen, was bei technologischen Neuerungen oder Trends am Ende wirklich innovativ oder gar revolutionär wäre, ist keine leichte Aufgabe. Das Festlegen "richtiger" Kriterien und Bewertungs-Variablen ist entscheidend. Dabei gilt, dass rein technologische Kriterien ("wissenschaftlicher Durchbruch") nicht ausreichen, um den erwünschten wirtschaftlichen Erfolg zu beurteilen.
Die Alleinstellung und Attraktivität einer Technologie läßt sich ebenfalls über Unter-Indikatoren und mithilfe eines Scorings bestimmen. Auf Basis der Überlegungen und des Technologie-Portfolio-Modelles (TPF) des Wirtschaftswissenschaftlers Pfeiffer (ehemals Lehrstuhl für Industrie-Betriebslehre der Universität Erlangen-Nürnberg) habe ich mich in meiner Dissertation damit beschäftigt, dies für den Bereich Biotech anzuwenden.
Diese Herangehensweise spricht Sie an? Auch wenn sie ziemlich theoretisch wirkt? Wir könnten geeignete Methoden für Ihre Fragestellungen diskutieren. Zudem beobachten und "bewerten" kontinuierlich Technologien und Markt.
Trends erkennen hat zum Ziel, frühe und breite Technologien bzw. Trends mit Entfaltungs- und Durchsetzungs-Potenzial zu suchen und zu finden. Das erfolgt in unserem Projekt Biotech.Maps.
Wenn Sie mehr erfahren möchten, kontaktieren Sie uns bitte.